Wie können Menschen dazu bewegt werden, ihre Bubbles zu verlassen und Kultur gemeinsam in allen nur denkbaren Genres, mit allen Generationen und für jeden Geldbeutel zu erleben? Geschäftsführer*in von klinkenborg. communications, Steph Klinkenborg, erläutert am Beispiel von 48h Jenfeld musikalisches Communitybuilding als Teilhabe- und Partizipationsformat.
Autor*in: Steph Klinkenborg
48h Jenfeld – die Idee ist so einfach wie effektiv
Musikmachende jeder Kultur, aller Genres, Professionalisierungs- und Altersstufen bespielen 48h lang ihre Nachbarschaft. Mitmachen kann, wer in Jenfeld lebt, probt oder arbeitet. An Plätzen des Alltags wird Musik gemacht – auf Parkdecks, Abenteuerspielplätzen, in Waschanlagen, Innenhöfen, Bankfilialen, Kirchen, Parks und auf Balkonen.
Es gibt keine zentralen Bühnen, sodass Jenfeld in der Fläche erkundet wird. Insgesamt fand das Projekt bisher an 92 Orten in Jenfeld statt. Diese Mobilität herzustellen, ist ein Teil des Konzeptes. Viele kennen nur ihre direkte Nachbarschaft und staunen, was für schöne und spannende Orte ihr Stadtteil eine Ecke weiter zu bieten hat. Und ganz wichtig: Bei 48h Jenfeld ist der Eintritt frei und das Genre egal. Es geht darum, einfach vor die Tür zu gehen und zu hören, was die Nachbar*innen für Musik machen.
Die Idee folgt dem Beispiel des Schwesterprojektes 48h Wilhelmsburg. Das Wissen aus 15 Jahren Netzwerkarbeit auf den Elbinseln fließt jetzt in das Netzwerk Musik aus Jenfeld ein. Erfahrungen werden skaliert und neue gemacht. Da sind die Pop-up-Konzerte, Workshops, Jamsessions sowie die Festivals 48h Jenfeld, die in den monatlichen Netzwerktreffen gemeinschaftlich geplant und umgesetzt werden. Dabei hat sich das Team von 48h Jenfeld kennengelernt, zusammen Musik gemacht, Supporter-Bändchen verkauft, Sitzbänke und Boxen geschleppt, Plakate geklebt und stets neue Mitstreiter*innen mit immer wieder neuen Ideen gefunden.
„48h Jenfeld bietet uns als Bewohner*innen des Stadtteils die ideale Chance, uns mit anderen Jenfelder Akteur*innen zu vernetzen, unseren Stadtteil besser kennenzulernen, ihn nachhaltig mitzugestalten und zu beleben. Wir möchten dazu beitragen, ein wenig Stolz auf den eigenen Stadtteil und auf das eigene Können zu fördern. Und Lust darauf machen, sich und den Stadtteil anderen vorzustellen. Jenfelder*innen sollen mit der Musik einen Anlass haben, andere zu sich und nach Jenfeld einzuladen. Das teils negativ behaftete Selbst- und Fremdbild kann sich damit hoffentlich nach und nach in ein freundliches, offenes, buntes, lebendiges und im besten Sinne vielfältiges Bild wandeln.“
Michaela Walter, Jenfelderin und aktiv im Netzwerk Musik aus Jenfeld
Teilhabe durch weniger Barrieren
Anfang 2023 gründete sich im Netzwerk die AG Jenfeld barriefreier mit dem Ziel, Barrieren zu erkennen, abzubauen und eine kulturelle Praxis zu schaffen, in der Menschen mit Behinderung selbstverständlicher Teil des Ganzen sind. Konzertorte werden auf Barrieren gecheckt, die barrierearmen Toiletten im Stadtteil zugänglich gemacht und über MOIA wird ein kostenloser Shuttle zwischen den Konzerten angeboten. Vorab konnte sich telefonisch nach speziellen Konzertrouten erkundigt werden und ein speziell geschultes Team stand vor Ort für alle Anforderungen bereit.
Stadtraum als Musikort – Beispiel Tansania Park
Eine entscheidende Idee hinter dem Konzept des musikalischen Communitybuildings ist die Umdefinition des Stadtraumes zum Musikort. Mit dieser Brille der Musik als Methode möchte das Netzwerk Musik aus Jenfeld Rapführungen für den Tansania Park entwickeln.
Auf der Mauer zum Park steht nüchtern „Lettow Vorbeck Kaserne“ und hinter einem hohen Zaun stehen die Askari Reliefs und ein Ehrenmal des Nationalsozialismus. Was sind Askari und wofür steht das Ehrenmal?
Am 15. Oktober 2023 lädt das Netzwerk alle Neugierigen ein, die koloniale Nachbarschaft und ihre Geschichte kennenzulernen. Ein Vorwissen ist nicht erforderlich. Die Teilnehmer*innen besuchen gemeinsam den Park, sammeln am Nachmittag Informationen von Fachleuten aus Hamburg und Tansania, gießen die ersten Ideen in Form und texten dann Rhymes für einen Rap. Kann der Tansania Park ein Ort sein, in dem wir uns mit Musik über Geschichte austauschen und Geschichte schreiben?
Erfolgsfaktoren
Erfolgsfaktoren des musikalischen Communitybuildings sind die intensive Face-to-Face-Kommunikation, transparente Strukturen auf Augenhöhe, eine gemeinsame Vision und das Aushalten von Unterschieden. Im Netzwerk Musik aus Jenfeld sind inzwischen mehr als 80 Menschen und Institutionen aktiv, sie werden unterstützt von einem dreiköpfigen, professionellen Team des Trägervereins Salon International e.V.
Das Netzwerk freut sich über „Ideenklau“ und Nachmacher*innen: 48h könnte überall stattfinden. Das Team stellt Erfahrungen und Wissen gerne Initiativen aus anderen Stadtteilen zur Verfügung.
KONTAKT
Netzwerk Musik aus Jenfeld
Jenfelder Tannenweg 10 · 22045 Hamburg
www.musik-aus-jenfeld.de